Dank der Arbeit vom Historiker Dr. Alfred Müller im Pfarrarchiv sind verschollene Dokumente von der St. Anna Kapelle wieder zum Vorschein gekommen. Ich hoffe Ihnen in nächster Zeit neues über diese berichten zu können.
Die St. Anna Kapelle im Weiler Reidermoos im "Chlämpe" wurde schon vor 1750 erbaut. Eintragungen der Zofinger Glockengiesser bestätigen, dass die im Jahr 1750 gegossene Glocke von Daniel Sutermeister für die "Kapelle im Moos" in der Glockengiesserei vor dem Untertor hergestellt wurde.
Zu jener Zeit entstand auch der Kupferstich von David Herrliberger (1697-1777). Dieser zeigt die Kommende mit der "Oberen" Johanniterkirche und der "Unteren" Bartholomäuskirche. Die obere Kirche wurde 1813 wegen Nichtgebrauchs abgerissen.Die beiden Glocken, die eine von 1684 aus Zofingen, kamen in die neue Johanneskirche.Die beiden Seitenaltarbilder kamen in die Pfarrkirche in Aesch LU, welche damals auch zur Kommturei Hohenrain gehörte. Ende Mai 1793 musste die untere Kirche dem jetzigen Neubau weichen.
Vor über 100 Jahren sah das Reidermoos anders aus. Das heutige Schulhaus besteht noch nicht.
Die "Pinte" im Moos um 1900. Sie war mit Unterbruch bis 1947 im Besitz der Familie Weber, welche vor oder zur Zeit der Reformation vom Kanton Zürich her kommend hier eine neue Bleibe fand.
Das jetzige Haus wurde im 19. Jahrhundert erbaut.
Das älteste gefundene Foto der St. Anna-Kapelle ist in der Oetterli- und Plüsssammlung archiviert.
Familie Weber gab der Überlieferung nach das Versprechen eine Kapelle zu bauen, wenn sie von der Pest verschont würden (wahrscheinlich Schwarze Pest). Dies geschah zu Ehren der heiligen Anna.
Überlieferungen nach soll die Kapelle durch Eier und Butterverkauf von den Bäuerinnen finanziert worden sein.Man erzählte sich auch, dass die Kapelle von einem falschen Prister, welcher Messen las, entweiht worden sei und darum die Kapelle wieder neu eingeweiht werden musste.
Die Flugaufnahme zeigt einen Ausschnitt vom Chlämpe mit den Liegenschaften Aecherli, Baumann und Schär. Zwischenzeitlich war die Familie Weber auch Besitzer der jetzigen Liegenschaft Aecherli neben der Kapelle.Vermutlich wurde in dieser Zeit die Kapelle erbaut. Später wurden Webers jedoch wieder im Gasthaus wohnhaft, bis 1947.
Die stark zerfallene Kapelle vor 1957. In diesem Zustand wird sie der Kunsthistoriker Adolf Reinle besucht haben. Herr Reinle hat im Buch "Die Kunstdenkmäler der Schweiz" Bd.5 den Bau beschrieben. Er hat das Portalgemäuer um 1790 dadiert. Die Glocke von 1750 hat Reinle dokumentiert, wusste jedoch nicht von den Schriften der Zofinger Glockengiesser.
Das verdunkelte Foto von Hans Marti entstand nach 1957.Der neue Turmhelm wurde von Herrmann Waser sen., Reiden (2010 verstorben) hergestellt. Das handgeschmiedete Kreuz und die Kupferkugel wurden wieder verwendet.
Auf dem Türportal sind die Umrisse eines Johanniterkreuzes noch sichtbar. Abklärungen bei Historikern und Ritterordenkennern ergaben, dass der damalige Komtur in Hohenrain oder der Verwalter in der Komende Reiden beim Bau der Kapelle möglicherweise mitsprachen. Reinle und Nüscheler (Geschichtsfreund der fünf Orte) haben jedoch in Archiven nichts derweiliges entdeckt. Nachforschungen meinerseits in Johanniter-, Bistums- und Staatsarchiven in Solothurn, Luzern, Heitersheim und Freiburg i.B. haben nicht gefruchtet, da die Kapelle nicht in kundigen Verzeichnissen der Entstehungszeit auftaucht. Somit ist eine aufwendige Suche in den Archiven selbst notwendig!
Diese Fotos wurde von Paul Oetterli vor 1957 gemacht. Sie sind dank der Arbeit von Hermann Keist aufgetaucht.
Die Kapelle wurde sicherlich vor oder bis 1750 gebaut.Jedoch wann genau? Nur weil anno 1750 die ältere Glocke gegossen wurde, kann die Kapelle selbst älter sein. Es ist anzunehmen, dass die bäuerliche Bevölkerung nicht Geld im Überfluss hatte und die Glocke, welche nicht selber hergestellt werden konnte, sicherlich dass Teuerste war.
Nur eine dendrochronologische Untersuchung des Holzes könnte das genaue Baujahr an Tageslicht bringen. Eine Untersuchung anhand der Jahrringe kostet jedoch 1200 Franken, Geld welches nicht vorhanden ist.
Um die Suche in den Archiven in Reiden und Luzern in den schwer leserlichen Urkunden einzuschräncken, wäre ein genaues Baudatum sehr hilfreich.
Die Kapelle war, wie sie Reinle beschrieb, vor der Innerrenovation in einem sehr schlechten Zustand. Der barocke Bau ist mit einem frühbarocken Altar und einem anno 1897 ersetzten Altarbild von Amberg ausgestattet.
Die Statuen von St. Anna, St. Franziskus von Assisi mit den Stigmata und St. Franz Xaver mit Muschel sind durch mehrfache Anstriche entstellt. Die Statue von St. Anna Selbdritt, für ihren Standort viel zu gross, ist laut Rainle einiges älter als die Kapelle. Vielleicht stand die Figur einmal im Beinhaus St. Anna und St. Mauritius,1662 eingeweit, welche beim Neubau der Johannerkirche und Vergrösserung des Friedhofes weichen musste.
Das Prozessionskreuz welches auf dem Altar steht, die dazugehörige Stange und die Tragen auf den Banklehnen sind noch vorhanden.
Ein Bild vom Bürgerheim noch ohne die Kapelle im Parterre. Vor der Erbauung des Bürgerheimes im Reidermoos fanden die Bittgänge immer in der St. Anna Kapelle statt. Später wurden diese ins Bürgerheim verschoben. So geriet die Kapelle ins Abseits und sollte durch Pfarrer Josef Grossmann, welcher eine bischöfliche Erlaubnis einholte, abgerissen werden. Die Bevölkerung wehrte sich jedoch. In seiner Pfarreichronik hat Grossmann bekanntes von der Kapelle weggelassen! Warum werden wir wohl nie erfahren.
Der Altar wie er sich heute zeigt wurde von Josef Leupi in seiner Werkstatt vom Staub befreit und unter anderem mit 400 Blatt Gold aufgefrischt. Diese Arbeiten bezahlte dazumals die Pfarrei. Das Altarbild zeigt Mariä Himmelfahrt. Die beiden Statuen der Heiligen wurden jedoch vertauscht moniert. Sie werden in nächster Zeit wieder ihren richtigen Platz finden.
Die Arbeiten wurden vor der Einweihung durch Pfarrer Karl Brunner am 1. Juli 1984,15 Uhr vollendet.
Die bekleidete Madonna stand in einem Glaskasten links im
Schiff. Sie war in einem schlechten Zustand und
wurde im Zuge der Renovationen von 1979-84 entsorgt.
Walter Koller hat bis zu seinem Tod 1991 an der ganzen Kapelle
sehr viel gearbeitet. In seiner Freizeit erstellte er die Sickerleitung,
einen neuen Boden, die Täferdecke, Seitenwände,
neue Bänke und die Türe. Zudem wurde die Kapelle
Innen und Aussen frisch gestrichen und das Dach
wurde mit Biberschwanzziegeln ausgebessert.
Er wurde von seinem Bruder Franz Koller
tatkräftig unterstützt.
Die Heilige Anna mit Maria und Jesus (Selbdritt) hatte früher im Reidermoos einen grossen Stellenwert.
Da sie im hohen Alter noch Mutter wurde, wurde sie von kinderlosen Frauen um Hilfe angebeten.
Bei der bäuerlichen Bevölkerung hatte die heilige Anna (26. Juli) zusammen mit Jakob (25. Juli) eine Bedeutung hinsichtlich der Ernte. So besagt er Spruch: "Jakob und Anna sei zämen id Ärn` gange"
Vieles aus vergangenen Zeiten weiss man aus Überlieferungen der einheimischen Bevölkerung. So wusste auch Maria Sacher-Meyer (1921-2010) viel, welches sie noch von Erzählungen ihres Vaters, Hans Meyer-Fischer (1886-1963) wusste. Sie war mit der Kapelle eng verbunden und besuchte immer die Gottesdienste in ihr.
Auf Wunsch der Familie wurde an ihrer Beerdigung das Opfer für die Renovation eingezogen. Das Geld wurde nun für die Vergoldung der Kupferkugel verwendet, welche jetzt wieder im neuen Glanz erstrahlt. Die 9/1000 mm dünnen Goldblätter wurden von Philipp Arnold profesionell zweischichtig verarbeitet. Insgesamt wurden cirka 4,37 Gramm Reingold benötigt.
Unter dem Holzaltarblatt besteht eine gemauerte, heute nutzlose Vormauer. Wahrscheinlich der ursprüngliche Steinaltar. Der Hohlraum war mit Mauerresten und Erde gefüllt und einer der Herde der ganzjährigen Feuchtigkeit .
Auf dem mittleren Glockenstuhlbalken haben Willi Steinmann und ich zufälligerweise eine Inschrift von 1840 gefunden.Es sind zwei Initialen, Text, Ort und Datum vorhanden. Wenn jemand der alten Schrift mächtig ist, kann sie oder er gerne behilflich sein dies zu entziffern.Der alte Eichenbalken war schon bei einer Glocke im Turm vorhanden was zeigt, dass der Turm seit jeher seine Ausmasse gehabt haben muss.
Die erste und "grössere" Glocke (36 cm) wurde 1750 in Zofingen von Daniel Sutermeister (1688-1757) gegossen.
Daniel war der Schwiegersohn und Lehrbub von Daniel Sprünglin. Der wiederum war Lehrbub beim seinem Vater. Danach arbeitete er in Bern beim gerühmten Berner Giesser Abraham II Zehnder. Bei ihm erlernte Sprünglin das Berechnen von Glocken und war danach als erster Zofinger Giesser in der Lage Glocken an bestehende Geläute anzupassen. In der gleichen Werkstätte hat Abraham I Zehnder im Jahr 1611 zusammen mit Peter VII Füssli aus Zürich die grössten Glocke der Schweiz mit fast 10 Tonnen vom Berner Münster gegossen.
Der Ausschnitt vom Buch "Handwerkbuch für die ehrsame Meisterschafft des Rotgiesserhandwerks zu Zoffingen" mit Beginn anno 1665 zeigt die Aufnahme von Daniel Sutermeister als Lehrbub bei Daniel Sprünglin.
Das Buch ist im Stadtarchiv Zofingen archiviert.
1713 ist Daniel Sutermeister in die Meisterschafft der Rotgiesser zu Zoffingen aufgenommen worden.
Daniel war der erste Giesser namens Sutermeister. Er heiratete Elisabeth Sprünlin welche ihm 9 Kinder schenkte.
Die zweite und kleinere Glocke (29 cm) hat Moriz Sutermeister
(1836-1910) im Zofinger Riedtal 1874 gegossen.
Sein Schwiegervater Jakob I Keller von der Giesserei Keller
Unterstrass in Zürich war auch sein Lehrmeister.
Moriz Sutermeister ist der Verfasser des Buches
"Die Glocken von Zofingen". Er hat auch das Werk der
Giesserei Keller Unterstrass in Buchform gebracht.
Seine Vorfahren trennten sich schon früh von den
Glockengiesserdynastie der Sutermeister auf. Die Söhne
Konrad (1593-1650) und Andreas (1576-1621) von Siegmund
Sutermeister (1535-1605) bildeten die neuen Äste.Konrad war
der Urgrossvater von Daniel, Andreas war der Ururururururgrossvater
von Moriz Sutermeister. Von beiden Glockengiesser wird der
Stammbaum noch weitergeführt. Nachkommen konnte ich in einer
kürzeren und in einer aufwändiger Suche aufindig machen. Sie
leben heute in den Kantonen Aargau, Bern und Luzern.
Noch dies: obwohl beide Glocken in Zofingen gegossen wurden, ist die Ältere eine "Bernerin" und die Jüngere eine "Argauerin".
Moriz Sutermeister hat 1903 aus den Originaldokumenten
der Zofinger Giesser alle Daten zu einem Buch
zusammengefasst. So auch von Daniel Sutermeister,
Giesser der ersten Glocke in der Kapelle.
Die Suche nach den Dokumenten von füheren Jahrhunderten
ist noch im Gang.
Die Fenster wurden um 1960 von Bruder Ephrem (Jg.1924) vom Kloster Einsiedern neu verglast. Franz Koller wusste noch, dass über Kontakte von Pfarrer Grossmann mit Apt Benno Gut, später Kardinal, die Arbeiten vom Kloster gemacht wurden.
So erkundigte ich mich in Einsiedeln und wurde mit Bruder Ephrem telefonisch bekanntgemacht. Er ist geistig sehr fit und erzählte im September 2010 von der Herstellung der Kapellenfenster. Die sogenannten Mondscheiben wurden in der Glasi Hergiswil als Flaschenböden mundgeglasen hergestellt. Das Kloster Einsiedeln, welches bis vor ein paar Jahren eine eigene Fensterherstellungswerkstatt besass, kaufte 1953 Mondscheiben à 40 Rappen das Stück. Diese werden zugeschnitten, in Blei eingefasst und mit Lötzinn verschmelzt. Bei 432 Einzelstücken welche zusammengefügt werden mussten, kann man sich den Arbeitsumfang ungefähr vorstellen! Um die Fenster zu schützen wurde ein Drahtgeflächt montiert. Die Dübelung hat jedoch im Sandstein im Lauf der Jahre etliche Schäden verursacht. Bruder Ephrem war am 18. Mai 2011 telefonisch nicht erreichbar, da er mit einer Führung Interessierter durchs Kloster beschäftigt war.
Zeitzeugen wissen noch, dass vor der Renovierung nur noch einzelne Scheibchen ganz waren und der Innenboden mit Steinen übersäht war. Lausbuben soll es also auch schon früher gegeben haben!
Für die Zukunft wünschte ich für die Kapelle zum Schutz der Fenster ein Verbundsicherheitsglas um die doch sehr düster wirkenden Gitter entfernen zu können. Solche Arbeiten müssten jedoch eher von Spendengeldern finanziert werden, so wie zum Beispiel die in Triengen gefertigten Kreuzwegbilder der Johanneskirche in Reiden, welche von Leonz Widmer (alt Kirchmeier) vom Reidermoos 1802 gestiftet wurden.
Die Form des Turmhelmes der Kapelle hat im vergangenen
Jahrhundert immer wieder gewechselt.
Auf dem Foto von 1904 konnte ich dank Anpassung des
Kontrastes und der Helligkeit die Form erkennen.
Es ist gut möglich, dass die ursprüngliche Form anno 1750
gleich war wie die der Oberen Johanniterkirche und im Zuge
einer Renovation die Rundform begradigt wurde.
Zwischen 1904 und ca. 1955 muss eine weitere Renovation
erfolgt sein, bei der die Spitze gekürzt wurde.
1957 wurde dann der Turm ganz erneuert, mit Blech
eingefass tund die Kugel wurde mit einem
Pyramidenstumpf 60 cm nach oben versetzt.