Geschichte


Dank der Arbeit vom Historiker Dr. Alfred Müller im Pfarrarchiv sind verschollene Dokumente von der St. Anna Kapelle wieder zum Vorschein gekommen. Ich hoffe Ihnen in nächster Zeit neues über diese berichten zu können.

Giesserei 1674-1859  Zofinger Neujahrsblatt 1930,StaZ
Giesserei 1674-1859 Zofinger Neujahrsblatt 1930,StaZ

Die St. Anna Kapelle im Weiler Reidermoos im "Chlämpe" wurde schon vor 1750 erbaut. Eintragungen der Zofinger Glockengiesser bestätigen, dass die im Jahr 1750 gegossene Glocke von Daniel Sutermeister für die "Kapelle im Moos" in der Glockengiesserei vor dem Untertor hergestellt wurde. 


 

Kupferstich 1754, Herrliberger
Kupferstich 1754, Herrliberger

Zu jener Zeit entstand auch der Kupferstich von David Herrliberger (1697-1777). Dieser zeigt die Kommende mit der "Oberen" Johanniterkirche und der "Unteren" Bartholomäuskirche. Die obere Kirche wurde 1813 wegen Nichtgebrauchs abgerissen.Die beiden Glocken, die eine von 1684 aus Zofingen, kamen in die neue Johanneskirche.Die beiden Seitenaltarbilder kamen in die Pfarrkirche in Aesch LU, welche damals auch zur Kommturei Hohenrain gehörte. Ende Mai 1793 musste die untere Kirche dem jetzigen Neubau weichen.

 

Reidermoos um 1900, Plüsssammlung
Reidermoos um 1900, Plüsssammlung

Vor über 100 Jahren sah das Reidermoos anders aus. Das heutige Schulhaus besteht noch nicht.

Gasthaus Pinte im Moos
Gasthaus Pinte im Moos

Die "Pinte" im Moos um 1900. Sie war mit Unterbruch bis 1947 im Besitz der Familie Weber, welche vor oder zur Zeit der Reformation vom Kanton Zürich her kommend hier eine neue Bleibe fand.

Das jetzige Haus wurde im 19. Jahrhundert erbaut.

 

Kapelle 1904, Oetterlisammlung
Kapelle 1904, Oetterlisammlung

Das älteste gefundene Foto der St. Anna-Kapelle  ist in der Oetterli- und Plüsssammlung archiviert.

 

Familie Weber gab der Überlieferung nach das Versprechen eine Kapelle zu bauen, wenn sie von der Pest verschont würden (wahrscheinlich Schwarze Pest). Dies geschah zu Ehren der heiligen Anna.

Überlieferungen nach soll die Kapelle durch Eier und Butterverkauf von den Bäuerinnen finanziert worden sein.Man erzählte sich auch, dass die Kapelle von einem falschen Prister, welcher Messen las, entweiht worden sei und darum die Kapelle wieder neu eingeweiht werden musste.

 

 

Flugaufnahme 1953-54,Baumann
Flugaufnahme 1953-54,Baumann

Die Flugaufnahme zeigt einen Ausschnitt vom Chlämpe mit den Liegenschaften Aecherli, Baumann und Schär. Zwischenzeitlich war die Familie Weber auch Besitzer der jetzigen Liegenschaft Aecherli neben der Kapelle.Vermutlich wurde in dieser Zeit die Kapelle erbaut. Später wurden Webers jedoch wieder im Gasthaus wohnhaft, bis 1947.

Kapelle 3 Ansichten, Denkmalpflege LU
Kapelle 3 Ansichten, Denkmalpflege LU

Die stark zerfallene Kapelle vor 1957. In diesem Zustand wird sie der Kunsthistoriker Adolf Reinle besucht haben. Herr Reinle hat im Buch "Die Kunstdenkmäler der Schweiz"  Bd.5 den Bau beschrieben. Er hat das Portalgemäuer um 1790 dadiert. Die Glocke von 1750 hat Reinle dokumentiert, wusste jedoch nicht von den Schriften der Zofinger Glockengiesser.

Südwestansicht um 1960, hansmartiarchiv.ch
Südwestansicht um 1960, hansmartiarchiv.ch

Das verdunkelte Foto von Hans Marti entstand nach 1957.Der neue Turmhelm wurde von Herrmann Waser sen., Reiden (2010 verstorben) hergestellt. Das handgeschmiedete Kreuz und die Kupferkugel wurden wieder verwendet.

 

Auf dem Türportal sind die Umrisse eines Johanniterkreuzes noch sichtbar. Abklärungen bei Historikern und Ritterordenkennern ergaben, dass der damalige Komtur in Hohenrain oder der Verwalter in der Komende Reiden beim Bau der Kapelle möglicherweise mitsprachen. Reinle und Nüscheler (Geschichtsfreund der fünf Orte) haben jedoch in Archiven nichts derweiliges entdeckt. Nachforschungen meinerseits in Johanniter-, Bistums- und Staatsarchiven in Solothurn, Luzern, Heitersheim und Freiburg i.B. haben nicht gefruchtet, da die Kapelle nicht in kundigen Verzeichnissen der Entstehungszeit auftaucht. Somit ist eine aufwendige Suche in den Archiven selbst notwendig!

Südansicht um 1957, Paul Oetterli
Südansicht um 1957, Paul Oetterli

Diese Fotos wurde von Paul Oetterli vor 1957 gemacht. Sie sind dank der Arbeit von Hermann Keist aufgetaucht.

Nordansicht um 1957, Paul Oetterli
Nordansicht um 1957, Paul Oetterli
Holz zur dendrochronologischen Untersuchung
Holz zur dendrochronologischen Untersuchung

Die Kapelle wurde sicherlich vor oder bis 1750 gebaut.Jedoch wann genau? Nur weil  anno 1750  die ältere Glocke gegossen wurde, kann die Kapelle selbst älter sein. Es ist anzunehmen, dass die bäuerliche Bevölkerung nicht Geld im Überfluss hatte und die Glocke, welche nicht selber hergestellt werden konnte, sicherlich dass Teuerste war.

Nur eine dendrochronologische Untersuchung des Holzes könnte das genaue Baujahr an Tageslicht bringen. Eine Untersuchung anhand der Jahrringe kostet jedoch 1200 Franken, Geld welches nicht vorhanden ist.

Um die Suche in den Archiven in Reiden und Luzern in den schwer leserlichen Urkunden einzuschräncken, wäre ein genaues Baudatum sehr hilfreich.

Innenaufnahme, Hans Marti
Innenaufnahme, Hans Marti

Die Kapelle war, wie sie Reinle beschrieb, vor der Innerrenovation in einem sehr schlechten Zustand. Der barocke Bau ist mit einem frühbarocken Altar und einem anno 1897 ersetzten Altarbild von Amberg ausgestattet.

Die Statuen von St. Anna, St. Franziskus von Assisi mit den Stigmata und St. Franz Xaver mit Muschel sind durch mehrfache Anstriche entstellt. Die Statue von St. Anna Selbdritt, für ihren Standort viel zu gross, ist laut Rainle einiges älter als die Kapelle. Vielleicht stand die Figur einmal im Beinhaus St. Anna und St. Mauritius,1662 eingeweit, welche beim Neubau der Johannerkirche und  Vergrösserung des Friedhofes weichen musste.

Das Prozessionskreuz welches auf dem Altar steht, die dazugehörige Stange und die Tragen auf den Banklehnen sind noch vorhanden. 

Bürgerheim um 1900, Plüsssammlung
Bürgerheim um 1900, Plüsssammlung

Ein Bild vom Bürgerheim noch ohne die Kapelle im Parterre. Vor der Erbauung des Bürgerheimes im Reidermoos fanden die Bittgänge immer in der St. Anna Kapelle statt. Später wurden diese ins Bürgerheim verschoben. So geriet die Kapelle ins Abseits und sollte durch Pfarrer Josef Grossmann, welcher eine bischöfliche Erlaubnis einholte, abgerissen werden. Die Bevölkerung wehrte sich jedoch. In seiner Pfarreichronik hat Grossmann bekanntes von der Kapelle weggelassen! Warum werden wir wohl nie erfahren.

Altar heute
Altar heute

Der Altar wie er sich heute zeigt wurde von Josef Leupi in seiner Werkstatt vom Staub befreit und unter anderem mit 400 Blatt Gold aufgefrischt. Diese Arbeiten bezahlte dazumals die Pfarrei. Das Altarbild zeigt Mariä Himmelfahrt. Die beiden Statuen der Heiligen wurden jedoch vertauscht moniert. Sie werden in nächster Zeit wieder ihren richtigen Platz finden.

Die Arbeiten wurden vor der Einweihung durch Pfarrer Karl Brunner am 1. Juli 1984,15 Uhr vollendet.

Madonna,bekleidet Denkmalpflege Luzern
Madonna,bekleidet Denkmalpflege Luzern

Die bekleidete Madonna stand in einem Glaskasten links im

Schiff. Sie war in einem schlechten Zustand und

 wurde im Zuge der Renovationen von 1979-84 entsorgt.

 

Walter Koller hat bis zu seinem Tod 1991 an der ganzen Kapelle

sehr viel gearbeitet. In seiner Freizeit erstellte er die Sickerleitung,

einen neuen Boden, die Täferdecke, Seitenwände,

neue Bänke und die Türe. Zudem wurde die Kapelle

Innen und Aussen frisch gestrichen und das Dach

wurde mit Biberschwanzziegeln ausgebessert.

Er wurde von seinem Bruder Franz Koller

tatkräftig unterstützt.

Anna Selbdritt
Anna Selbdritt

Die Heilige Anna mit Maria und Jesus (Selbdritt) hatte früher im Reidermoos einen grossen Stellenwert.

Da sie im hohen Alter noch Mutter wurde, wurde sie von kinderlosen Frauen um Hilfe angebeten.

Bei der bäuerlichen Bevölkerung hatte die heilige Anna (26. Juli) zusammen mit Jakob (25. Juli) eine Bedeutung hinsichtlich der Ernte. So besagt er Spruch: "Jakob und Anna sei zämen id Ärn` gange"

 

Vieles aus vergangenen Zeiten weiss man aus Überlieferungen der einheimischen Bevölkerung. So wusste auch Maria Sacher-Meyer (1921-2010) viel, welches sie noch von Erzählungen ihres Vaters, Hans Meyer-Fischer (1886-1963) wusste. Sie war mit der Kapelle eng verbunden und besuchte immer die Gottesdienste in ihr.

Auf Wunsch der Familie wurde an ihrer Beerdigung das Opfer für die Renovation eingezogen. Das Geld wurde nun für die Vergoldung der Kupferkugel verwendet, welche jetzt wieder im neuen Glanz erstrahlt. Die 9/1000 mm dünnen Goldblätter wurden von Philipp Arnold profesionell zweischichtig verarbeitet. Insgesamt wurden cirka 4,37 Gramm Reingold benötigt. 

Goldkugel während der Verarbeitung am 23.12.2010
Goldkugel während der Verarbeitung am 23.12.2010
Altarunterbau 2010
Altarunterbau 2010

Unter dem Holzaltarblatt besteht eine gemauerte, heute nutzlose Vormauer. Wahrscheinlich der ursprüngliche Steinaltar. Der Hohlraum war mit Mauerresten und Erde gefüllt und einer der Herde der ganzjährigen Feuchtigkeit . 

Balkeninschrift von 1840
Balkeninschrift von 1840

Auf dem mittleren Glockenstuhlbalken haben Willi Steinmann und ich zufälligerweise eine Inschrift von 1840 gefunden.Es sind zwei Initialen, Text, Ort und Datum vorhanden. Wenn jemand der alten Schrift mächtig ist, kann sie oder er gerne behilflich sein dies zu entziffern.Der alte Eichenbalken war schon  bei einer Glocke im Turm vorhanden was zeigt, dass der Turm seit jeher seine Ausmasse gehabt haben muss.

Daniel Sutermeister Zofingen
Daniel Sutermeister Zofingen

Die erste und "grössere" Glocke (36 cm) wurde 1750 in Zofingen von Daniel Sutermeister (1688-1757) gegossen.

Daniel war der Schwiegersohn und Lehrbub von Daniel Sprünglin. Der wiederum war Lehrbub beim seinem Vater. Danach arbeitete er in Bern beim gerühmten Berner Giesser Abraham II Zehnder. Bei ihm erlernte Sprünglin das Berechnen von Glocken und war danach als erster Zofinger Giesser in der Lage Glocken an bestehende Geläute anzupassen.  In der gleichen Werkstätte  hat Abraham I Zehnder im Jahr 1611 zusammen mit Peter VII Füssli aus Zürich die grössten Glocke der Schweiz mit fast 10 Tonnen vom Berner Münster gegossen.

Lehrbub Daniel Sutermeister   StaZ
Lehrbub Daniel Sutermeister StaZ

Der Ausschnitt vom Buch "Handwerkbuch für die ehrsame Meisterschafft des Rotgiesserhandwerks zu Zoffingen" mit Beginn anno 1665 zeigt die Aufnahme von Daniel Sutermeister als Lehrbub bei Daniel Sprünglin.

 

Das Buch ist im Stadtarchiv Zofingen archiviert.

Aufnahme als Meister von Daniel Sutermeister    StaZ
Aufnahme als Meister von Daniel Sutermeister StaZ

1713 ist Daniel Sutermeister in die Meisterschafft der Rotgiesser zu Zoffingen aufgenommen worden.

Daniel war der erste Giesser namens Sutermeister. Er heiratete Elisabeth Sprünlin welche ihm 9 Kinder schenkte.

Moriz Sutermeister Zofingen
Moriz Sutermeister Zofingen

Die zweite und kleinere Glocke (29 cm) hat Moriz Sutermeister

(1836-1910) im Zofinger Riedtal 1874 gegossen.

Sein Schwiegervater Jakob I Keller von der Giesserei Keller

Unterstrass in Zürich war auch sein Lehrmeister.

Moriz Sutermeister ist der Verfasser des Buches

"Die Glocken von Zofingen". Er hat auch das Werk der

Giesserei Keller Unterstrass in Buchform gebracht.

Seine Vorfahren trennten sich schon früh von den

Glockengiesserdynastie der Sutermeister auf. Die Söhne

Konrad (1593-1650) und Andreas (1576-1621) von Siegmund

Sutermeister (1535-1605) bildeten die neuen Äste.Konrad war

der Urgrossvater von Daniel, Andreas war der Ururururururgrossvater

von Moriz Sutermeister. Von beiden Glockengiesser wird der

Stammbaum noch weitergeführt. Nachkommen konnte ich in einer

kürzeren und in einer aufwändiger Suche aufindig machen. Sie

leben heute in den Kantonen Aargau, Bern und Luzern.

Noch dies: obwohl beide Glocken in Zofingen gegossen wurden, ist die Ältere eine "Bernerin" und die Jüngere eine "Argauerin".

aus "Die Glocken von Zofingen"    StaZ
aus "Die Glocken von Zofingen" StaZ

Moriz Sutermeister hat 1903 aus den Originaldokumenten

der Zofinger Giesser alle Daten zu einem Buch

zusammengefasst. So auch von Daniel Sutermeister,

Giesser der ersten Glocke in der Kapelle.

Die Suche nach den Dokumenten von füheren Jahrhunderten

ist noch im Gang.

 

Mondscheibenfenster von 1960
Mondscheibenfenster von 1960

Die Fenster wurden um 1960 von Bruder Ephrem (Jg.1924) vom Kloster Einsiedern neu verglast. Franz Koller wusste noch, dass über Kontakte von Pfarrer Grossmann mit Apt Benno Gut, später Kardinal, die Arbeiten vom Kloster gemacht wurden.

So erkundigte ich mich in Einsiedeln und wurde mit Bruder Ephrem telefonisch bekanntgemacht. Er ist geistig sehr fit und erzählte im September 2010 von der Herstellung der Kapellenfenster. Die sogenannten Mondscheiben wurden in der Glasi Hergiswil als Flaschenböden mundgeglasen  hergestellt. Das Kloster Einsiedeln, welches bis vor ein paar Jahren eine eigene Fensterherstellungswerkstatt besass, kaufte 1953 Mondscheiben à 40 Rappen das Stück. Diese werden zugeschnitten, in Blei eingefasst und mit Lötzinn verschmelzt. Bei 432 Einzelstücken welche zusammengefügt werden mussten, kann man sich den Arbeitsumfang ungefähr vorstellen! Um die Fenster zu schützen wurde ein Drahtgeflächt montiert. Die Dübelung hat jedoch im Sandstein im Lauf der Jahre etliche Schäden verursacht. Bruder Ephrem war am 18. Mai 2011 telefonisch nicht erreichbar, da er mit einer Führung Interessierter durchs Kloster beschäftigt war.

Zeitzeugen wissen noch, dass vor der Renovierung nur noch einzelne Scheibchen ganz waren und der Innenboden mit Steinen übersäht war. Lausbuben soll es also auch schon früher gegeben haben!

Für die Zukunft wünschte ich für die Kapelle zum Schutz der Fenster ein Verbundsicherheitsglas um die doch sehr düster wirkenden Gitter entfernen zu können. Solche Arbeiten müssten jedoch eher von Spendengeldern finanziert werden, so wie zum Beispiel die in Triengen gefertigten Kreuzwegbilder  der Johanneskirche in Reiden, welche von Leonz Widmer (alt Kirchmeier) vom Reidermoos 1802 gestiftet  wurden.

 

 

Helmformen
Helmformen

Die Form des Turmhelmes der Kapelle hat im vergangenen

Jahrhundert immer wieder gewechselt.

Auf dem Foto von 1904 konnte ich dank Anpassung des

Kontrastes und der Helligkeit die Form erkennen.

Es ist gut möglich, dass die ursprüngliche Form anno 1750

gleich war wie die der Oberen Johanniterkirche und im Zuge

einer Renovation die Rundform begradigt wurde.

Zwischen 1904 und ca. 1955 muss eine weitere Renovation

erfolgt sein, bei der die Spitze gekürzt wurde.

1957 wurde dann der Turm ganz erneuert, mit Blech

eingefass tund die Kugel wurde mit einem

Pyramidenstumpf 60 cm nach oben versetzt.

Sonntag, 9. September 2012
Sonntag, 9. September 2012
19.02.2018
19.02.2018